Der Keuschheitsgürtel gilt als ein Relikt längst vergangener Zeiten. Dass er sich heute einer wachsenden Nachfrage erfreut, liegt gewiss nicht daran, dass die Praktiken des Mittelalters wiederholt werden.
Vielmehr setzen sich in Hobby, Wissenschaft und Forschung die sogenannten Rollenspiele durch. Wer sie richtig ausführen möchte, muss sich jedoch auch mit den dunklen Stunden der Menschheitsgeschichte befassen.
Der Keuschheitsgürtel für den Mann: Einzelne Fragen und ihre Antworten
Was wäre, wenn? Ein Gedanke, der wohl den meisten Personen schon einmal durch den Kopf ging. Das Rollenspiel bietet die Chance, sinnvolle Antworten auf offene Fragen zu erhalten. Wie etwa auf jene: Wie müssen sich Frauen gefühlt haben, die einen Keuschheitsgürtel tragen mussten? Gemeint ist damit ein häufig aus Leder und Metall gefertigtes Kleidungsstück, das Frauen im späten Mittelalter um ihren Intimbereich trugen.
Der Sinn dahinter ist unter Historikern umstritten. Einerseits besteht die These, auf diese Weise sollte die Gattin an sexuellen Kontakten mit potenziellen Liebhabern gehindert werden, während ihr Ehemann außer Haus war. Andererseits lässt sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht leugnen, dass damit auch Vergewaltigungen ausgeschlossen wurden. Ebenso ist bislang nicht abschließend geklärt, ob es sich bei dem Keuschheitsgürtel um ein Spielzeug oder um ein Folterinstrument gehandelt hat: Sollte damit zum Lustgewinn beigetragen oder eine Strafe ausgeführt werden?
Keine angenehme Situation
Klar ist allerdings, dass das Tragen des Gürtels für die Betroffene oftmals mit erheblichen Leiden verbunden war. Aufgrund der verwendeten Materialien führte er zu Reibungen auf der Haut, die weit bis ins Fleisch reichen konnten. Hatten sich dort erst einmal Risse gebildet, so wuchsen diese schnell in ihrem Umfang. Dazu kommt der hygienische Aspekt, da der Keuschheitsgürtel die Reinigung erheblich erschwerte. Reste von Urin, Kot und Menstruationsblut drangen ungestört in die Wunde ein, wo sie Infektionen auslösten.
Selbst in minderschweren Fällen ist immer noch von einem starken Juckreiz auszugehen, den die Frauen über viele Tage hinweg erdulden mussten. Eine Qual, die sich heute nur schwer vorstellen lässt. Doch genau hier zeigt sich die Bedeutung des Rollenspiels, das uns die Gelegenheit gibt, derlei Eindrücke nachzuempfinden. Egal, ob es sich dabei um moderne Keuschheitsgürtel handelt – oder um solche, die historischen Vorbildern getreu nachgeahmt wurden.
Leben im Keuschheitsgürtel: Ein interessantes und lehrreiches Rollenspiel
Es mag etwas seltsam anmuten, wenn sich einzelne Beteiligte genau diese leidvollen Momente der Menschheitsgeschichte herausnehmen und sie zum Inhalt ihres Rollenspiels werden lassen. Dennoch besteht eben gerade darin die Chance, eine Erfahrung wahrzunehmen, die für zahlreiche Frauen im Mittelalter zum Alltag gehörte. Ein geschichtlich korrekt ausgeführtes Rollenspiel sollte sich dabei auch den dunklen Stunden der Vergangenheit widmen – statt nur Teilbereiche aufzugreifen, die mit Spaß und Leichtigkeit verbunden sind.
Dass Männer zu diesem Zweck einen Keuschheitsgürtel tragen, ist daher zunächst eine interessante Entwicklung. Bei immer mehr Anbietern, die das Rollenspiel mit Kostümen versorgen, lassen sich aber solche Gürtel im Sortiment finden. Originalgetreu aus sperrigen Materialien gefertigt, die das Tragen zur Prozedur werden lassen. Aber genau darin besteht das Wesensmerkmal dieses Hobbys, das auch immer stärker in der Forschung etabliert ist: Wer in die Geschichte eintauchen und fremde Menschen kennenlernen möchte, muss sich mit deren Sorgen, Nöten, Schmerzen und Qualen auseinandersetzen, um zu brauchbaren Ergebnissen zu gelangen.
Die Möglichkeit, in fremde Rollen zu schlüpfen
Wohl jeder Mensch ertappt sich früher oder später bei dem Gedanken, eine andere Person zu sein. Zuweilen ergeben sich daraus sogar Wünsche oder echte Sehnsüchte. Ein Bedürfnis, das in den letzten Jahren vermehrt bei Psychologen in Abstimmung mit Spielwissenschaftlern in den Fokus rückt. So sind unterschiedliche Konzepte des Rollenspiels entstanden. Sie sollen dem Betroffenen die Chance bieten, für kurze Zeit tatsächlich in eine fremde Persönlichkeit einzutauchen, um so etwa deren Leben und Alltag sowie ihr Denken und Fühlen nachempfinden zu können.
Das Erforschen eines Lebensweges, der von dem eigenen deutlich abweicht, ist meist ein langwieriges, aber doch ebenso spannendes Projekt – das auch Rückschlüsse auf individuelle Entscheidungen und deren Konsequenzen erlaubt. Dabei lassen sich im Wesentlichen zwei grobe Varianten unterscheiden. Einerseits gibt es die Option, in die Rolle einer realen Existenz zu tauchen, deren Leben bereits bekannt ist. Anderseits ist es sehr beliebt, ein fiktives Dasein aufzubauen.
Das Wechseln der Geschlechter
Zu den imposantesten Rollenspielen zählt die Möglichkeit, als Frau in die Persönlichkeit eines Mann zu schlüpfen – oder als Mann den Charakter einer Frau anzunehmen. Ein Unterfangen, das übrigens nicht alleine darauf abstellt, sich die Kleidung des anderen Geschlechtes überzuziehen. Sondern das vielmehr bis ins kleinste Detail geplant und ausgeführt wird. Die Herausforderung besteht immerhin gerade darin, Neues zu erfahren. Die dabei erworbenen Erkenntnisse können ein breites Spektrum an Emotionen auslösen.
Viele Betroffene fühlen sich zunächst einmal überfordert mit diesem übernommenen Leben, über das sie sich kurz zuvor noch keine Gedanken gemacht haben. Im Ergebnis sollte dennoch ein Gewinn an neuen Wahrnehmungen stehen – ebenso die Achtung vor fremden Personen sowie vor deren Handeln. Denn wie schon ein Sprichwort der amerikanischen Ureinwohner sinngemäß sagt: Wer einen anderen Menschen kennenlernen möchte, muss zunächst viele Meilen in seinen Mokassins laufen. Im übertragenen Sinne ist das das Ziel des Rollenspiels.
Die Reise durch die Zeit
Neben dem Wechsel der Geschlechter finden die Teilnehmer viele andere Freiheiten vor. Immerhin ist es ihnen überlassen, in welcher Epoche sie die übernommene Existenz ausleben möchten. Wer also schon immer einmal durch das antike Rom wandern, sich im finsteren Mittelalter umsehen oder den schnellen Fortschritt der Industrialisierung erleben wollte, findet im Rollenspiel dazu genug Gelegenheiten.
Übrigens muss es sich dabei nicht um das Projekt einer einzelnen Person handeln: Je nach Thema lassen sich oftmals Gleichgesinnte finden, mit denen die jeweiligen Rollen entworfen und in die Tat umgesetzt werden können. So trifft man sich regelmäßig, um ein weiteres Kapital der eigenen Geschichte zu spielen, damit abermals neue Erkenntnisse zu gewinnen und so einzelne Handlungsstränge kontinuierlich fortzusetzen. Ein Hobby, das viel Zeit und Kreativität erfordert – das im Gegenzug aber einen Zuwachs an Wissen und Können auslöst. Und das Einblicke ermöglicht, die vielen Menschen ein Leben lang verwehrt bleiben.